Als ich ins Priesterseminar eintrat, war mein Priesterbild geprägt von Erfahrungen aus meiner Jugend. Ich habe ein Pfarrhaus erlebt, wo Pfarrer, Kaplan und Haushälterin lebten. Das Pfarrhaus war ein offenes Haus, in dem wir auch als Jugendliche ein- und ausgingen. Ich habe junge Kapläne erlebt, die mich beeindruckt haben, und lebendige Jugendarbeit.
Von dem, was ich damals erlebt habe, unterscheidet sich meine Arbeit, auch meine Lebensweise, sehr. Große Einheiten mit mehreren Pfarrei- en, viele zusätzliche Aufgaben, immer höhere Anforderungen, was Bürokratie und Verwaltung betrifft, und vieles mehr. Dennoch: Das Wesentliche unterscheidet sich nicht. Priestersein, wie ich es verstehe, bedeutet, glaubwürdig Evangelium zu leben und zu verkünden. Es funktioniert nur im unmittelbaren Kontakt mit den Menschen. Und ich erlebe, dass Menschen, egal wie nah oder fern sie von Kirche sind, unglaublich dankbar sind, wenn man für sie da ist, sie spüren lässt, dass Gott Interesse an ihnen hat.
Das ist für mich das Wesentliche. Da- zu brauche ich Menschen, die mich mit- tragen. Ich glaube, das ist heute schwerer als früher, angesichts vieler Aufgaben, Pfarrhäusern, in denen man in der Regel allein lebt. Da ist Eigenverantwortung gefragt: die Pflege von Freundschaften, die Sorge um Auszeiten und ein tragfähiges geistliches Leben. Die äußeren Bedingungen haben sich sehr verändert und ändern sich weiter. Das Wesentliche, was Menschen vom Priester erwarten, ist gleich: Jesus Christus in unsere Welt hinein zu vermitteln.
Pfarrer Tobias Schäfer, Ingelheim, geweiht 1992